- Lokomotiven: Zugpferde der Eisenbahn
- Lokomotiven: Zugpferde der EisenbahnDie ersten Dampflokomotiven wurden sowohl für die Beförderung von Personen und Gütern wie auch zum Rangieren auf Bahnhöfen eingesetzt und wiesen in ihrer Bauweise keine gravierenden Unterschiede auf. Aber man erkannte rasch, dass Lokomotiven für Personenzüge weniger Achsen mit größeren Treib- und Kuppelrädern benötigten, was die Schnelligkeit erhöhte, Zugmaschinen für Güterzüge hingegen mehr Achsen mit kleineren Rädern, um die Zugkraft zu steigern. Bei Rangierlokomotiven wiederum, die den Bahnhof ja nicht verließen, konnte man auf den angekuppelten Schlepptender verzichten, in dem bei Streckenzügen Brennstoff- und Wasservorräte mitgeführt wurden.Die Konstrukteure versuchten auf unterschiedliche Weise, diese Anforderungen umzusetzen. Sie waren vor allem bemüht, die Zugkraft der Lokomotiven zu verbessern, damit auch längere und schwerere Züge eingesetzt werden konnten, sowie die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit zu steigern — also Energie zu sparen und die Schnelligkeit zu erhöhen.Die große Zeit der DampflokomotiveDie Verbundlokomotive des Schweizer Ingenieurs Anatole Mallet wurde 1874 patentiert: Er leitete den Dampf zunächst in einen Hochdruckzylinder und anschließend in einen zweiten, wesentlich größeren Niederdruckzylinder und nutzte auf diese Weise den Dampf zweifach (doppelte Dampfdehnung). Einen großen Fortschritt brachten etwa 25 Jahre später die Heißdampflokomotiven, die auf dem Prinzip der Dampfüberhitzung beruhen, das von Wilhelm Schmidt, einem Kasseler Lokomotivenbauer, entwickelt wurde: Der 300 bis 450 Grad Celsius heiße Dampf führte zu einer Leistungssteigerung von fast 25 Prozent. Die entstandene Energie wurde so effektiv genutzt, dass bis zu 30 Prozent des Wassers und 20 Prozent der Kohle eingespart werden konnten.Um die Zugkraft der Lokomotive zu steigern, hätte man eigentlich nur die Größe der Maschine und die Anzahl der Räder erhöhen müssen. Damit aber stellte sich das Problem der Kurvenläufigkeit ein, das immer drängender einer Lösung bedurfte, sollten die Züge auch auf kurvenreicheren Strecken nicht entgleisen und möglichst wenig Schäden an Rädern und Schienen verursachen. 1876 stellte Anatole Mallet die erste Lokomotive mit einem geteilten Triebwerk vor, bei der die rückwärtigen Treibachsen fest im Rahmen gelagert waren und durch die Hochdruckzylinder angetrieben wurden, die vorderen Treibachsen, auf die die Niederdruckzylinder wirkten, jedoch in einem Drehgestell angeordnet waren. Eine andere Möglichkeit, die Kurvenläufigkeit eines mehrachsigen Zuges zu verbessern, entwickelte der österreichische Ingenieur Karl Gölsdorf mit Radsätzen, die nach der Seite verschoben werden konnten.Den endgültigen Durchbruch brachte dann ein Drehgestell, das Georg Krauss, ein Münchener Unternehmer, und sein Chefkonstrukteur Richard von Helmholtz entwickelten. Erstmals eingebaut wurde es 1888 in eine Tenderlokomotive, die auf der Strecke Reichenhall —Berchtesgaden Kurven mit Radien von nur 180 Metern und Steigungen von bis zu 40 Prozent zu bewältigen hatte.Die hinsichtlich der Stückzahl große Zeit der Dampflokomotiven umfasste die Jahre ab etwa 1910 bis etwa 1950. Mit der zunehmenden Elektrifizierung der Strecken und der steigenden Bevorzugung von Dieselfahrzeugen auf den nicht elektrifizierten Linien setzte der Niedergang der Dampftechnik ein. Von Nachteil war zum einen ihr geringer Wirkungsgrad — bestenfalls zwölf Prozent der zugeführten Energie konnten in Arbeit umgesetzt werden —, zum anderen der hohe Arbeitsaufwand: Es dauerte bis zu neun Stunden, eine kalte Dampflokomotive einsatzbereit zu machen. Die meisten Arbeiten mussten per Hand erledigt werden: Schlacke und Asche aus dem Feuerraum entfernen, Kohle, Wasser und Bremssand laden, vorheizen, Gestänge prüfen und warten. In der Nachkriegszeit wurden nur noch wenige Dampflokomotiven gebaut. Die Baureihen 10 und 66 der Deutschen Bundesbahn umfassten lediglich je zwei Exemplare, von der bekannteren Baureihe 23 wurden immerhin 105 verwirklicht. Mit den letzten 1966 in Deutschland hergestellten Dampflokomotiven, die für die Indonesischen Staatsbahnen bestimmt waren, ging eine Ära zu Ende.ElektrolokomotivenTechnisch wäre es bereits in den 1920er-Jahren möglich gewesen, den Dampfbetrieb vollständig durch die Elektrotraktion zu ersetzen; schließlich fuhren bereits seit 1881 elektrisch angetriebene Straßenbahnen. Politische und wirtschaftliche Gründe sprachen jedoch dagegen. Erst Anfang der 1950er-Jahre entschied man sich dafür, die Hauptstrecken der Deutschen Bundesbahn zu elektrifizieren, was unter anderem für den Fahrzeugbestand weit reichende Folgen hatte: Da Elektroloks viel schneller einsatzbereit waren als Dampflokomotiven und nicht nach jeder Fahrt aufwendig gewartet werden mussten, genügte die Hälfte der Fahrzeuge. Dadurch und aufgrund der komfortableren Bedienung der Elektrolokomotiven verringerte sich auch das Personal: Von den 53 400 Lokführern im Jahr 1957 waren 1977 nur noch 29 800 im Dienst.Einer der wesentlichen Unterschiede zu Dampflokomotiven bestand darin, dass Elektrolokomotiven ständig von außen mit Energie versorgt werden und daher keine Brennstoffvorräte mit sich führen mussten. Moderne Elektrolokomotiven sind Drehgestellfahrzeuge mit Einzelachsantrieb. Jede Treibachse besitzt also einen eigenen Antriebsmotor, der oberhalb oder neben der Achse angeordnet und im Drehgestell befestigt ist; Lüfter kühlen die Motoren. Die benötigte Energie wird der Fahrleitung vom Stromabnehmer entnommen und über die Dachleitung zum Hauptschalter geführt, mit dem die gesamte elektrische Ausrüstung ein- und ausgeschaltet werden kann. Von dort wird der Strom der Leistungssteuerung zugeführt, die die Motoren steuert; die einzelnen Bauteile dieses Steuerungssystems werden von dem verwendeten Bahnstromsystem bestimmt.Bis zur Entwicklung der modernen Leistungselektronik in den 1970er-Jahren waren die Lokomotiven mit aufwendigen Gleich- oder Einphasen-Wechselstrommotoren ausgerüstet, die mechanische Stromwender (»Bürsten«) benötigten. Die unterschiedlichen Drehzahlen ergaben sich dabei durch Umschalten von Stromwicklungen mit einem Schaltwerk. Um die Zuggeschwindigkeit zu verändern, betätigte der Lokomotivführer das Schaltwerk mit einem Handrad. Nachteile dieser Technik sind der relativ hohe Wartungsaufwand an den Stromwendern und Schaltwerken und die eingeschränkte Verwendungsmöglichkeit der Lokomotiven, die nur für ein Stromnetz mit festgelegter Spannung und Frequenz ausgelegt sind. Mit dem Einsatz von Drehstrom-Asynchronmotoren wurden diese Nachteile vermieden.Bei der Umstellung von Dampf- auf Elektrolokomotiven kam es neben rein technischen Aspekten zu einer weiteren einschneidenden Änderung: Man beschränkte sich darauf, nur noch einige wenige Baureihen zu pflegen, was zu erheblichen Kosteneinsparungen bei der Herstellung und Unterhaltung der Elektrolokomotiven führte. Die fast 200 Lokomotivtypen von 1945 wurden im Rahmen der Neubauprogramme 1957 auf 91 Baureihen reduziert, die sich bis 1977 noch einmal auf 41 verringerten. Die Maschinen der Baureihen E 10, E 40, E 41 und E 50 bildeten das Rückgrat der elektrischen Zugförderung bis in die 1970er-Jahre.Während die Lokomotiven der Baureihe E 10 vorwiegend im Schnellzugdienst eingesetzt wurden, sah die Bundesbahn die Maschinen der Gattung E 40 und E 50 für den Güterzugdienst vor. Wichtige technische Neuerungen waren unter anderem die Entwicklung einer Wendezuglokomotive, die 1956 in der Baureihe E 41 erstmals eingesetzt wurde, und der Bau von Mehrsystemlokomotiven, die auch mit unterschiedlichen Bahnstromsystemen fahren konnten und so im internationalen Zugverkehr den Wechsel der Lokomotiven an der Staatsgrenze verzichtbar machten. 1965 nahmen zum Beispiel Viersystemmaschinen ihren Dienst auf, die neben den Wechselstromsystemen mit 15 Kilovolt bei 16 2/3 Hertz und 25 Kilovolt bei 50 Hertz auch die Gleichstromsysteme mit 1,5 und drei Kilovolt befahren können.DiesellokomotivenBrauchbare und betriebssichere Diesellokomotiven konnten erst gebaut werden, nachdem die Probleme der Kraftübertragung gelöst waren. Dieselmotoren entwickeln wie alle Verbrennungsmotoren nur in einem bestimmten Drehzahlbereich die erforderlichen Drehmomente. Damit die Leistung der rotierenden Kurbelwelle des Dieselmotors beim Anfahren möglichst ruckfrei und verlustarm auf die stehenden oder langsam drehenden Räder der Lokomotive übertragen werden kann, ist eine Leistungsumwandlung erforderlich. Sie wird zum Beispiel von einem hydraulischen Wandlergetriebe vorgenommen, das die Drehzahlunterschiede zwischen dem antreibenden Dieselmotor und den Antriebsrädern der Lokomotive ausgleicht.Mit diesem dieselhydraulischen Antrieb wurden vor allem Großlokomotiven im Bereich der Deutschen Bundesbahn ausgerüstet, während etwa in den USA bis heute der dieselelektrische Antrieb bevorzugt wird. Die mechanische Leistungsübertragung konnte sich, trotz eingehender Versuche Ende der 1920er-Jahre, nur bei kleinen Diesellokomotiven durchsetzen.Die ersten mit Verbrennungsmotoren ausgestatteten Lokomotiven tauchten Ende der 1920er-Jahre bei Feld- und Industriebahnen auf. Mithilfe Kleinlokomotiven, die Leistungen zwischen 20 und 240 PS erbrachten, konnten die durchgehenden Güterzüge auf den Unterwegsbahnhöfen schneller abgefertigt und Industrieanschlüsse schneller bedient werden.Als Streckenfahrzeuge für die Personen- und Güterbeförderung konnten sich Diesellokomotiven erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchsetzen. Seit 1977 haben sie auf den nicht elektrifizierten Strecken die Dampflokomotive völlig verdrängt.Rad-Schiene-TechnikVoraussetzung für einen störungsfreien Schienenverkehr ist das Funktionieren des Zusammenspiels von Rädern und Schienen auf dem Gleis, das vor allem mit den steigenden Geschwindigkeiten der Züge für die Sicherheit immer wichtiger wurde. Damit die notwendigen umfangreichen systematischen Messungen und Untersuchungen durchgeführt werden können, wurden spezielle Einrichtungen geschaffen. So kann seit November 1977 auf dem Rollprüfstand des ehemaligen Zentralamtes der Bundesbahn in München das Verhalten von Drehgestellen, Radsätzen und Einzelrädern in den unterschiedlichsten Situationen eingehend getestet werden.Die Testergebnisse wiederum fließen in die geplanten Neukonstruktionen ein oder tragen zur Verbesserung der bisherigen Technik bei.Eisenbahnräder können unterschiedlich gestaltet sein, besitzen jedoch immer einen Spurkranz zur Führung auf den Schienen. Bei Speichenrädern ist der Radkörper von einem stählernen Radreifen umschlossen, der auf die Felge aufgeschweißt ist und ausgewechselt werden kann. Radreifen müssen besonders hart, verschleißfest und rissunempfindlich sein. Vollräder werden aus Stahl geschmiedet oder gewalzt und haben keine Trennung zwischen Radscheibe und Radreifen. Damit die durch eine starre Achse verbundenen Räder (Radsatz) ohne Schwierigkeiten einen Gleisbogen durchlaufen können, sind ihre Laufflächen konisch oder schwach konkav geformt.Die Gestaltung der Eisenbahnräder beeinflusste auch die Entwicklung der Schienen. Die ersten in England benutzten Bergwerksschienen bestanden aus Gusseisen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte sich die gewalzte Doppelkopfschiene durch, die jedoch im Laufe der Zeit von der Breitfußschiene aus hochwertigem gewalztem Stahl — einem in den USA entwickelten Schienentyp — fast vollständig abgelöst wurde. Als Teil der Spurführung und als Tragkörper muss sie in der Lage sein, die Kräfte, die durch das Gewicht und die Geschwindigkeit des Zuges verursacht werden, ebenso auszuhalten wie die Brems- und Antriebskräfte der Fahrzeuge; schließlich müssen die Schienen auch Temperaturschwankungen standhalten, ohne sich zu verändern. Der Schienenkopf, an dem sich Schiene und Rad berühren, ist so gestaltet, dass bei den Rädern ein möglichst geringer Verschleiß auftritt.Einen entscheidenden Einfluss auf die sichere Führung der Schienenfahrzeuge hat auch die Art des Gleisbaus. Das Gleis muss die von den Fahrzeugen ausgehenden Kräfte aufnehmen und sie, ohne sich zu verschieben, über die Unterschwellung in die Bettung ableiten. Während in der Frühzeit der Eisenbahn Achsdrücke von lediglich acht bis zehn Tonnen abgefangen werden mussten, liegt heute der maximale Achsdruck zwischen 15 Tonnen (Nebenstrecken) und 20 Tonnen (Hauptstrecken), vereinzelt bis 22,5 Tonnen. Um dieser hohen Belastung Rechnung zu tragen, werden bei Neubaustrecken die Dämme nicht aufgeschüttet, sondern die Erdbaustoffe werden lagenweise eingebaut und verdichtet. Die Schwellen bestehen meist aus Holz oder Stahlbeton. Dieser herkömmliche Oberbau ist sehr wartungsintensiv. Doch die mühsame Arbeit der Gleisbaukolonnen, die früher mit Gabeln, Schaufeln, Stopfhacken und Rammen neue Gleise legten oder alte instand hielten, erledigen heute Spezialmaschinen wie Schotterverteiler und Stopfmaschinen; die auf Großbaustellen eingesetzten Schnellumbauzüge, die aus mehreren, hintereinander geschalteten Maschinen bestehen, erneuern sogar Gleise im Fließbandverfahren — dabei schaffen sie bis zu 350 Meter in der Stunde.Um den Wartungsaufwand zu reduzieren, wurde eine »feste Fahrbahn« in Form von Betonplatten oder von Beton umgebenen Betonschwellen ohne Schotterbett entwickelt, die vor allem auf Schnellfahrstrecken eingesetzt wird.Dr. Hartmut KnittelWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Eisenbahn: SicherheitseinrichtungenGrundlegende Informationen finden Sie unter:Eisenbahn: Personenverkehr und GütertransportLexikon der Lokomotive. Geschichte und Technik, herausgegeben von Harry Rose. Berlin 1992.Obermayer, Horst J.: Taschenbuch deutsche Elektrolokomotiven. Stuttgart 71986.
Universal-Lexikon. 2012.